Wenn EU-Generäle fantasieren
Von Dagmar Henn
Wenn die Lage nicht so wäre, wie sie ist, dann müsste man sich angesichts der Überlegungen in der EU, die Ausbildungsmission, bei der EU-Armeen ukrainische Soldaten ausbilden, auf das Gebiet der Ukraine auszuweiten, Sorgen machen. Weil natürlich in den bekannten historischen Fällen die entsandten Ausbilder nur der Einstieg waren und die Truppen dann hinterherkamen. Wie eben bei den US-Amerikanern in Vietnam. Und die ganze Debatte rund um die lauten Überlegungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Entsendung französischer Soldaten in die Ukraine erinnert an die klassische Art und Weise, wie man die Bevölkerungen für solche Dinge weichkocht. Schließlich hatte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck gegen Macrons Überlegungen nur einen Einwand – dass er das Thema höchst ungeschickt lanciert habe.
Abgesehen davon, dass die Militärberater schon sehr, sehr lange in der Ukraine sind, weil es schon 2014 ein Interview mit dem deutschen Oberst Axel Schneider gab, der wenige Tage darauf als "OSZE-Beobachter" in Slawjansk landete, in dem er dem Bayerischen Rundfunk seine Aufgaben erläuterte, und da ging es um die "Überprüfung der Kampfbereitschaft". Keine Aufgabe, die auf der Liste von Beobachtern nach dem Wiener Abkommen steht. Aber eine ganz typische Tätigkeit für Militärberater. Das liegt schon zehn Jahre zurück. Damals wollte übrigens Ursula von der Leyen, noch deutsche Verteidigungsministerin, unbedingt das KSK nach Slawjansk schicken. Und ihr damaliger Adjutant Christian Freuding ist heute bei der Bundeswehr für die Ukraine zuständig.
Nein, es ist ganz klar, dass die Lieferung von HIMARS-Raketenwerfern, selbst die von Leopard-Panzern, nicht ohne entsprechend ausgebildetes Personal geht. Besonders lustig dürfte das bei den F 16 werden, sofern die überhaupt eintreffen, solange es noch eine Ukraine gibt. Da ist nämlich fast ausgeschlossen, dass ukrainische Piloten sie fliegen.
Der Grund? Der künstliche Horizont, ein ganz entscheidendes Instrument, um ein Flugzeug nicht versehentlich in den Boden zu bohren, ist bei den MiG- und Su-Flugzeugen, auf denen ukrainische Piloten ausgebildet wurden, ganz anders aufgebaut als bei westlichen Modellen. Im einen Fall ist die Ebene des Flugzeugs starr, und der Horizont bewegt sich, im anderen bewegt sich der Horizont … was unter normalen Umständen durch Gewohnheit kompensiert werden kann.
Allerdings, ein Flugzeug in einem Kampfeinsatz zu fliegen, in einem Kriegsgebiet, in dem der Gegner zufällig auch noch die beste Flugabwehr der Welt besitzt, das kann man nicht wirklich normale Umstände nennen. Je größer der Stress, desto stärker wird auf eingeübte Muster zurückgegriffen, und das älteste, erste ist in diesen Fällen immer das stärkste. Was bedeutet, sobald er unter Beschuss geriete, würde ein ukrainischer F-16-Pilot genau falsch reagieren, was dann den Flug selbst ohne unmittelbare russische Treffer abrupt beenden würde. Lösen ließe sich das nur durch Piloten, die gar nicht erst auf dem anderen System gelernt haben. Das hieße aber, dass die ganze Ausbildung Jahre dauert. Die es bekanntlich nicht gibt.
Auf jeden Fall ist es Nebelwerferei, so zu tun, als wäre bisher gar niemand in der Ukraine. Da dürfte es längst vor NATO-Personal wimmeln wie unter einem Stein im Garten vor Kellerasseln. Da werden doch auch die Anweisungen der NATO nicht nur alle paar Wochen einmal über den Tisch geschoben, sondern täglich, und das heißt zwangsläufig, vor Ort, genauso wie Zielkoordinaten. Es tun nur nach wie vor im Westen alle so, als wäre das nicht so, und Russland spielt bisher mit, wenn man mal von der einen oder anderen Bombe oder Rakete auf die entsprechenden Nester absieht. Wie war das noch einmal mit den CIA-Stützpunkten in der Ukraine? Das gibt so ungefähr eine Ahnung, wie dicht die Bestückung beim übrigen Personal sein dürfte. Und es gibt längst auch mehrfach das Eingeständnis dieser Tatsache.