Teilerfolg für Deutschland vor dem IGH
Der Internationale Gerichtshof hat heute den Eilantrag Nicaraguas abgelehnt, das Gerichtsverfahren wegen Beihilfe zum Genozid aber nicht eingestellt, wie Deutschland gehofft hatte.
Die heutige Urteilsverkündung in Den Haag nahm keine 15 min in Anspruch. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat mit 15 zu eins Stimmen eine Eingabe Nicaraguas zurückgewiesen, Deutschlands Rüstungsexporte nach Israel mit einem Eilantrag zu stoppen. Es werde keine Dringlichkeitsanordnung erlassen, teilte das Gericht heute mit. Das Weltgericht sei dennoch tief besorgt über die humanitäre Situation der Palästinenser:innen im Gazastreifen.
Für viele kam die Ablehnung des Eilantrages heute überraschend, sie kann auch als Teilerfolg für Deutschland gewertet werden. Jedoch muss bedacht werden, dass in der Zeit zwischen den beiden Anhörungen Anfang April und dem heutigen Zwischenurteil Deutschland stillschweigend die Kernforderungen Nicaraguas zum Teil schon erfüllt hatte:
- Die deutschen Rüstungsexporte, vor allem Kriegswaffen, nach Israel sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen, wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen mitteilte. Ob dies nun aus Angst vor möglichen rechtlichen Konsequenzen geschah oder aufgrund von möglicher Rüstungsgüterknappheit aufgrund von Waffenlieferungen an die Ukraine, ist unklar.
- Deutschland hat seine Zahlungen an das Flüchtlingshilfswerk UNRWA wieder aufgenommen.
Dennoch ist die heutige Urteilsverkündung ein wichtiger Meilenstein: Der Gerichtshof gab dem deutschen Antrag auf Abweisung des Falles nicht statt, so dass der Prozess weitergeführt werden wird. Deutschland hat sich heute also nicht wie erhofft vom Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord freisprechen lassen können. Die Angelegenheit ist für die deutsche Bundesregierung noch lange nicht vom Tisch.
Kann Deutschland jetzt weiter Waffen liefern wie bisher?
Nein. Auch wenn der IGH die Waffenverkäufe heute nicht untersagt hat.
Denn: Die Bundesregierung bekommt mit ihren Kriegswaffenlieferungen an Israel gerade ein gerichtliches Problem vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Eine Familie hat mit Hilfe einer Berliner Anwältin schon am 19.02.2024 einen Stopp von deutschen Waffenlieferungen an Israel per Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht gefordert & am vergangenen Freitag einen ersten Teilerfolg erzielt.
Bezüglich dieses Eilantrages VG 4 L 44/24 gegen Waffenlieferungen an Israel hat das Gericht am 26.04.2024 gegen die Bundesregierung folgende Aufforderungen verfügt:
- Die Bundesregierung muss darstellen, nach welchen Kriterien Waffenlieferungen erfolgen, ohne dabei das Völkerrecht zu verletzen.
- Die Bundesregierung soll bis zur Klärung des Sachverhaltes keine Waffenlieferungen an Israel tätigen.
- Sollte die Bundesregierung dennoch Waffenexporte nach Israel genehmigen, so muss sie dies dem Verwaltungsgericht melden. Dieses droht, dann mit einem Hängebeschluss einzugreifen.
Wie die für diesen Eilantrag verantwortliche Anwältin Occupied News in einem Telefoninterview erklärte, ist dies ein erster wichtiger Teilerfolg: Sofern Deutschland bis zur Eilentscheidung in dieser Klage vom 19.02.2024 weiter Kriegswaffen an Israel liefert, wird ein Zwischenbeschluss/Hängebeschluss angedroht, der dies untersagt. De facto kommt die Anordnung des Berliner Verwaltungsgerichts somit einem vorläufigen Waffenstopp gleich.
Die Anwältin betonte im Interview mit Occupied News, dass das Berliner Gericht in seinem Schreiben an die Bundesregierung auch die Bedeutung des Zwischenurteils des IGHs im Fall Südafrika vs. Israel hervorhebe. Die Bundesregierung selbst hatte bisher versucht, dieses herunterzuspielen und vertritt öffentlich weiterhin die Position, dass Südafrikas Vorwürfe haltlos seien. Des Weiteren sei die Androhung von Hängebeschlüssen selten und kann somit als ein Zeichen gedeutet werden, dass das Verwaltungsgericht in der Tat von schweren Verstößen gegen das Völkerrecht ausgeht, so die Anwältin.