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Laut einem Beschluss des Osnabrücker Landgerichts ist das Vorlegen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke nicht strafbar. Strafrechtler sagen: Der Gesetzgeber hätte sauberer arbeiten müssen.
Stand: 02.11.2021 18:12 Uhr
🔻Es sind vor allem Apotheken, in denen gefälschte Impfpässe auffallen. Seit in Restaurants, auf Konzerten oder in Fußballstadien immer öfter 2G-Regeln gelten, häuften sich bei ihm die Fälschungen, sagt zum Beispiel ein Apotheker aus Rheinland-Pfalz im Interview mit Report Mainz.
🔻Seinen Namen will er nicht nennen, weil er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor radikalen Impfgegnern schützen will. In den vergangenen vier Wochen hätten sie fast 30 Fälschungen aus dem Verkehr gezogen - knapp drei Prozent der in seiner Apotheke vorgelegten Impfpässe.
🔻Tausende Ermittlungsverfahren sollen in diesem Zusammenhang aktuell bundesweit laufen. Das Landeskriminalamt Bayern teilt Report Mainz mit, man habe aktuell "mehr als 600 Fälle". Beim Landeskriminalamt Berlin sind bisher 153 Strafanzeigen eingegangen. In Hamburg ermittelte die Polizei zuletzt in 113 Verfahren.
🔻Schon im April hatte Report Mainz erstmals über gefälschte Impfausweise berichtet. Einen Monat später ergänzte die Politik das Infektionsschutzgesetz. Das Ziel: Fälscher und Nutzer härter bestrafen.
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Nur Fälschung durch Arzt strafbar
🔻Vergangene Woche dann der Beschluss des Osnabrücker Landgerichts: Nach derzeitiger Rechtslage sei das Vorlegen und Anfertigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke nicht strafbar - zumindest dann nicht, wenn die Fälschung von einer Privatperson erstellt wurde. Es ist die erste öffentlich bekannt gewordene Entscheidung eines Landgerichts in dieser Frage.
🔻Das Gericht spricht von einer "Strafbarkeitslücke" und begründet seine Entscheidung mit Paragrafen im Strafgesetzbuch, die sich speziell auf Gesundheitszeugnisse beziehen. Nach Ansicht des Gerichts stellen die nämlich nur die Vorlage eines gefälschten Gesundheitszeugnisses bei Behörden oder Versicherungen unter Strafe, Apotheken aber seien private Unternehmen.
🔻Nach den im Mai beschlossenen Änderungen im Infektionsschutzgesetz sei das Anfertigen oder Vorlegen eines falschen Impfpasses zudem nur strafbar, wenn die Bescheinigung von einer "impfberechtigten Person" erstellt wurde, also zum Beispiel von einem Arzt.
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Strafrechtler: "schweres Versagen des Gesetzgebers"
🔻Der Mainzer Strafrechtsprofessor Volker Erb, Mitherausgeber des Münchner Kommentars zum Strafgesetzbuch, sagt im Interview mit Report Mainz, er halte die Argumentation des Osnabrücker Landgerichts für "vorbildlich begründet". Aus seiner Sicht gebe der Beschluss "die herrschende Meinung in der Fachliteratur" wieder.
🔻Für Erb besonders unverständlich: Warum die Politik bei der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes im Frühjahr dieses Jahres seiner Ansicht nach nur das unrichtige Ausstellen von Impfausweisen durch eine "befugte Person" unter Strafe stellte, nicht aber die Fälschung durch eine Privatperson.
🔻"Das war im Grunde genommen ein schweres Versagen des Gesetzgebers", sagt er im Interview mit Report Mainz. "Ich kann nicht nachvollziehen, wie es beim Gesetzgeber zu dieser Panne kommen konnte. Auf mich mutet das regelrecht dilettantisch an, was da passiert ist." Seiner Ansicht zufolge lasse sich das Problem der fehlenden Strafbarkeit zudem auf gefälschte Corona-Testzertifikate übertragen.
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@HirteDesLichts
https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/faelschung-impfpass-101.html𝓗𝓲𝓻𝓽𝓮 𝓭𝓮𝓼 𝓛𝓲𝓬𝓱𝓽𝓼 🌟2/2
🔻Und was sagt das Bundesjustizministerium? Auf Nachfrage teilt das Ministerium Report Mainz mit: "Die Frage, ob das Gebrauchen falscher Gesundheitszeugnisse, wie etwa Impfzertifikate, auch gegenüber Privaten strafbar ist, wird bislang unterschiedlich beurteilt und ist höchstrichterlich nicht geklärt." Man prüfe derzeit, auch mit Blick auf den Beschluss des Landgerichts, "ob strafgesetzliche Anpassungen in diesem Bereich erforderlich sind."
🔸"Das ist verschnarcht worden"
🔻Die aber hätten längst erfolgen können und müssen, meint der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU), der in diesem Jahr der Justizministerkonferenz vorsitzt. Schon im Juni habe er zusammen mit allen Justizministern der Länder auf den "Reformbedarf" der aktuellen Gesetzeslage hingewiesen. Der Beschluss von Osnabrück ist für ihn daher auch keine Überraschung.
🔻Im Interview mit Report Mainz sagt er: "Als normaler Bürger würde ich den Kopf schütteln und sagen: Wenn das erkannt wird und wenn es auch so eindeutig ist…