Estland macht den Rammbock gegen Russland und entwertet damit Artikel 5 der NATO
Von Jewgeni Posdnjakow
Eine Reihe von Ländern des Nordatlantikbündnisses bildet bereits Soldaten der ukrainischen Streitkräfte auf dem Gebiet der Ukraine aus. Dies berichtete die estnische Premierministerin Kaja Kallas in einem Interview mit der Financial Times. Sie betonte auch, dass die Staaten solche Aktionen "auf eigenes Risiko" durchführten. Ihrer Meinung nach stellt die derzeitige Situation die Möglichkeit der Anwendung des fünften Artikels der Charta des Bündnisses nicht zur Debatte.
In Bezug auf den möglichen Verlust westlicher Militärangehöriger in der Ukraine merkte Kallas an, dass diese Tatsache nicht den Beginn eines direkten Zusammenstoßes zwischen dem Bündnis und Moskau auslösen würde. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass, wenn dort jemand verletzt wird, diejenigen, die ihre Männer geschickt haben, sagen werden: 'Das ist Artikel 5, also los … lasst uns Russland bombardieren.' So funktioniert das nicht. Es ist kein Automatismus", stellte sie klar.
Was die Entsendung estnischer Vertreter in das Konfliktgebiet betrifft, so fügte Kallas hinzu, dass sie für die Umsetzung einer solchen Entscheidung die Zustimmung des Parlaments benötige. Es handele sich um eine "offene, öffentliche Diskussion". "Aber ich denke nicht, dass wir im Moment irgendetwas ausschließen sollten", sagte sie.
Wir erinnern daran, dass sich die Diskussion über die Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine intensivierte, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron Ende Februar erklärt hatte, Paris sei bereit, eigene Soldaten zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte zu entsenden. Schon damals löste diese Aussage bei den Franzosen große Besorgnis aus.
Nach anhaltender Kritik an seinen militaristischen Äußerungen hat Macron seine ursprünglich ultimative Haltung etwas aufgeweicht. Mitte Mai betonte er in einem Interview mit The Economist, dass die Entsendung eines französischen Kontingents in das Konfliktgebiet nur dann möglich sei, wenn Selenskijs Büro selbst um eine solche Unterstützung ersuche oder nachdem "das russische Militär die Frontlinie durchbrochen hat".
Einige Länder haben jedoch beschlossen, die Eskalation zu unterstützen. Kürzlich erklärte der britische Außenminister David Cameron, es sei zulässig, dass die ukrainischen Streitkräfte die von London bereitgestellten Waffen für Angriffe auf russisches Territorium einsetzen. Seiner Meinung nach hat die Ukraine jedes Recht dazu, da sie angeblich ihre eigene Souveränität verteidigt, berichtete Reuters. Die Zeitung Wsgljad erläuterte ausführlich die Gründe für solch scharfe Äußerungen europäischer Staaten.
Gleichzeitig hat Berlin versucht, sich rechtlich gegen die Einführung von Truppen in das ukrainische Hoheitsgebiet abzusichern. So sind Experten des Bundestages zu dem Schluss gekommen, dass ein möglicher russischer Angriff auf NATO-Truppen in der Konfliktzone kein Grund für die Anwendung des fünften Artikels des Nordatlantikvertrages wäre, berichtet die Welt.
Nach Ansicht von Experten ist eine kollektive Reaktion nur dann möglich, wenn Moskau Einrichtungen angreift, die sich direkt auf dem Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten der Organisation befinden. Der BRD-Experte Iwan Kusmin merkte an, dass dieses Dokument die Grundlage für die rechtliche Rechtfertigung anderer NATO-Mitgliedsstaaten werden könnte, die sich weigern, an den Feindseligkeiten in der Ukraine teilzunehmen.
Die Enthüllungen von Kallas könnten nach Ansicht von Analysten eine Abwertung von Artikel 5 des Vertrages darstellen. Im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen der Experten des Bundestages schafft die estnische Ministerpräsidentin jedoch die Grundlage für eine leichtere Einbeziehung europäischer Staaten in den Konflikt, um militärische und politische Ziele im Konflikt mit Russland zu erreichen.